Der 5. Digitale Mittagsimpuls der gemeinsamen Veranstaltungsreihe „Zukunft Prävention“ von Kneipp-Bund e.V., DAMiD e.V. und vdek e. V. beschäftigte sich mit dem aktuell brennenden Thema „Digitale Prävention und Gesundheitsförderung – praxistauglich und wirkungsvoll?“ Durch die Corona-Pandemie hat die Digitalisierung einen großen Schub bekommen, Gesundheits-Apps boomen. Kann es aber mit Hilfe solcher digitalen Präventionsangeboten gelingen, mehr Menschen zu erreichen und diese auf einem gesunden Lebensweg zu begleiten? Oder verschärft die Verlagerung von Gesundheitsförderung in die digitale Welt die gesundheitliche Ungleichheit noch mehr?

In seinem Fachimpuls gab Prof. Dr. phil. Nico Dragano, Institut für Medizinische Soziologie am Universitätsklinikum Düsseldorf, einen Einblick in den Stand der wissenschaftlichen Forschung zu digitalen Anwendungen in der Prävention. Zwar gibt es digitale Präventionsangebote, die in experimentellen Studien Wirksamkeit gezeigt haben, jedoch auch viele Angebote, die weder theoriebasiert noch evaluiert sind. Grundsätzlich muss zwischen Verhaltensprävention, Sekundärprävention und Frühintervention und Verhältnisprävention unterschieden werden. Motivierende Textnachrichten und kurze Informationen und Anleitungen über Social-Media-Kanäle und Webseiten, Entscheidungshilfen oder eHealth-Interventionen sowie App-basierte Trainings (mHealth) können das Gesundheitsverhalten der Nutzerinnen und Nutzer positiv beeinflussen. Auch online-Screenings und App- oder webbasierte Interventionen bei präklinischen Symptomen, beispielsweise bei Depression, können hilfreich sein. Jedoch braucht es Entscheidungshilfen aus der Politik und eine digitale, prozessorientierte Steuerung, besonders auch im Bereich der betrieblichen Gesundheitsförderung.
Besonders vulnerable Zielgruppen leiden unter einem „digital devide“, der Zugang zu und die Inanspruchnahme von digitalen Angeboten ist stark abhängig von Einkommens, teils auch von Alter, Region, Sprachkenntnissen, Geschlecht und Bildung bzw. Sozialisation. Eine große Rolle spielt die digitale Gesundheitskompetenz.

Sein Fazit: Die sozial differenzielle Wirksamkeit von Prävention insgesamt und von digitaler Prävention im Speziellen ist bislang noch zu wenig untersucht, auch wenn es Hinweise auf Ungleichheiten in der Ergebnisqualität von digitaler Prävention gibt. Dennoch könnten auch kleine Effekte relevant sein, da sie gekoppelt mit einer einfachen Zugänglichkeit eine Verbesserung gegenüber analogen Angeboten bedeuten könnten. Daher muss die Digitalisierung im Gesundheitssystem weiter voran getrieben und die digitale Inklusion sowohl im Hinblick auf die Infrastruktur als auch die Fähigkeiten gefördert werden. Wenn in Forschung und Entwicklung von sozial gerechten und wirksamen Anwendungen investiert wird, bekannte Gestaltungsgrundsätze gebündelt und beachtet werden, die Anwendungen mit denjenigen Personengruppen, die sie später nutzen sollen, gemeinsam gestaltet werden und wenn der Best Practice-Austausch erleichtert wird, dann könnte das Gesundheitswesen zum „Advokat“ für mehr digitale Gerechtigkeit werden.